Der kanadische K�nstler Rodney Graham (1949, lebt und arbeitet in Vancouver).
RODNEY GRAHAM, MUSIC AND NOISE
by NY Arts
stellt sich in seiner ersten Einzelausstellung in der Schweiz mit neuesten
und dazu gruppierten �lteren Arbeit-en vor. Die Arbeiten der Ausstellung
kreisen um Klassische- und Pop-Musik und extreme Sounds und stellen die
Erfahrungen, die das Subjekt mit diesen Erscheinungen als Systeme unseres
Alltags, unserer Kultur machen elegant und humorvoll ins Zentrum seiner
k�nstlerischen Trans-formationen. Rodney Grahams Werke, die h�ufig ausgehend
von unbekannten Details neue Blicke auf Bekanntes unserer Kultur werfen und
ihm damit �berraschende Aspekte und Momente abringen, waren an zahlreichen
internationalen Ausstellungen vertreten, wie z.B. Skulpturpro-jekte M�nster,
1987, documenta IX, 1992, Kassel. Grosse Einzelausstellungen richteten ihm
die Kunsthalle Wien und das DIA Center for Contemporary Art in New York aus.
Einem gr�sseren Publikum bekannt ist der K�nstler seit seiner Arbeit
"Vexation Island" f�r den Kanadischen Pavil-lion auf der Biennale di
Venezia, 1997. Zur Zeit ist eine Retrospektive seiner Arbeiten, die die in
Z�rich gezeigten Arbeiten nicht umfasst, in der Whitechapel Gallery, London,
zu sehen.
Rodney Graham (1949, lebt und arbeitet in Vancouver) stellt am
Er�ffnungsabend sein neues, nun vierten Musikalbum »Music for the Very Old«
in einem Konzert als S�nger und Gitarrist vor. Acht Konzerte werden w�hrend
der Ausstellungszeit mit seinen »Parsifal«- Kompositionen aufgef�hrt… Ist
Rodney Graham Musiker und Komponist? Oder gef�llt sich der K�nstler im
Aneignungsspiel des aktuellen Crossover?
Tats�chlich bewegt sich Rodney Graham mit frappierender Sicherheit zwischen
vielen k�nstlerischen und auch wissenschaftlichen Themengebieten. In der
Diskussion um die Vermischung der k�nstlerischen Gat-tungen und um die in
der Kunst vermehrt realisierte Ann�herung zur Popkultur nimmt Rodney Graham
eine besondere Stellung ein: Er betont nicht das Differente der Kunstformen,
die er �berlagert, sondern agiert als unabl�ssig �bender Generalist, der die
unterschiedlichen Ausdrucksformen der K�nste als un-trennbar betrachtet.
Parallele Systeme und Formen behandelt er als kreatives Potential f�r seine
heteroge-nen Werke und modifiziert sie f�r die ganze Breite seiner
k�nstlerischen Umsetzungen in Installation, Foto-grafie, Film, Video,
Literatur und Musik. Inhaltlich besch�ftigt sich der K�nstler mit
philosophischen, historischen, literarischen und naturwissenschaftlichen
Kenntnisgebieten, wobei er sowohl an den spezifi-schen Qualit�ten, wie an
den Paradoxien, dem Ungesehenen, Unheimlichen und Unbewussten interessiert
ist. Dabei greift er oft das Randst�ndige eines bekannten Ereignisses oder
einer bekannten Errungenschaft heraus, um �ber nebens�chliche Aspekte neue
Zugangsweisen zum Gegenstand zu beschreiten. Seine k�nstlerische
Vorgehensweise erinnert dabei an das lustvolle Demontieren im Dienste des
Kenntnis-gewinns, mit dem Kinder die Geheimnisse eines Spielzeuges oder
Gegenstandes zu ergr�nden versuchen.
»Parsifal« (1882 ca. 17 Uhr bis 38 969 364 735 ca. 19.30 Uhr), 1990, etwa
geht von einer Begebenheit w�hrend der ersten Auff�hrung der Oper 1882 in
Bayreuth aus. F�r die Ver�nderung des B�hnenbildes, die Parsifal auf dem Weg
zum Gral begleitet, brauchte es 4 Minuten mehr Musik. Wagner weigerte sich
diese zu schreiben und so erg�nzte sein damaliger Assistent, der Komponist
Engelbert Humperdinck, aus dem bestehenden Musikmaterial einige Takte, die
dem Orchester einen Loop zur�ck in die Partitur f�r die Dauer des
B�hnenbildwechsels erm�glichte. Mit diesen Takten entwickelte Graham ein
System, das eine Komposition generiert, die zwar nach einer pr�zisen Zeit
endet, aber nach menschlichem Ermessen nie erfahrbar sein wird. Er trennte
die einzelnen Stimmen und Pausen. Jede Stimme wiederholt sich (wird
geloopt), aber da die Sequenzen von 4 Sekunden bis 4 Minuten reichen,
entstehen unendliche Kombina-tionsm�glichkeiten. Nach 39 Milliarden Jahren
treffen alle Stimmen wieder zusammen. Wichtig, erstaunlich und das
klassische Musik-System variierend ist, dass Graham die Praxis der
Musikinterpretation von Kom-positionen durcheinanderwirbelt, einen kleinen
Seitenhieb auf die kosmische Dimension des Zeitlichen austeilt und eine
Musik komponiert, die spezifisch, individuell und nicht wiederholbar in
unserem vorstell-baren Zeithorizont ist. Neben diesen erstaunlichen
Variationen zur Theorie und Praxis der klassischen Musik beinhaltet Grahams
»Parsifal« weitere zentrale Elemente der Arbeit des K�nstlers, wie z.B. die
Position und Rolle des Subjektes angesichts der Systeme, die unsere Kultur
in der Moderne entwickelt hat; die Wandlung und die Wiederholung des
Gleichen in der Auffassung der Postmoderne und die kleinen Variationen, die
uns die Geheimnisse der Systeme erm�glichen k�nnen.
Das Verh�ltnis von Unbewusstem und Bewusstem spielt deshalb in den Arbeiten
des K�nstlers immer wieder eine grosse Rolle. Seine Arbeiten zu Sigmund
Freud sprechen davon, aber auch Arbeiten, die sich mit den Mitteln und
Methoden zu ver�nderten Bewusstseinszust�nden besch�ftigen: Wie »Halcion
Sleep«, 1994, eine Filmarbeit, in der er sich benommen von Schlafmittel auf
dem R�cksitz eines Wagens fahren l�sst oder aber die in Z�rich pr�senten
Arbeiten »Softcore«, 1999, und »Phonokinetoscope«, 2001.
Sie reflektieren unsere Subjektkonstruktionen und ihre Br�chigkeit. Und sie
reflektieren die ‘Performance’ des Individuums in der Realit�t. Ein Thema,
das Rodney Graham in seiner Arbeit immer wieder aufgreift und auch
praktiziert: Als Musiker, als Darsteller in seinen Filmen, in denen er in
die Rolle klischee-besetzter Bilder aus der Film-, Wissenschafts- und
Musikgeschichte schl�pft und als Provokateur des Performativen im Einbezug
des Publikums. Rodney Grahams Auseinandersetzung mit der Popmusik entstand
aus seiner Faszination f�r popul�re Ph�nomene: der Star, der perfekte
Cover-Song.
»Softcore« greift gleich mehrere dieser Ph�nomene und Geschichten auf:
Michelangelo Antonioni lud verschiedene Musiker nach Rom ein, um den
Soundtrack f�r »Zabriskie Point« von 1970 einzuspielen. Obwohl Pink Floyd
f�r die Tonspur des Filmes zeichnen, sind andere Stars ebenfalls vertreten.
Jerry Garcia etwa, der Gitarrist und S�nger von Grateful Dead, der von
Antonioni um Musik gebeten wurde f�r die Liebesszene, die mit den immer mehr
werdenden nackten Paaren in der W�ste eine Art Fantasie der sexuellen
Revolution darstellt. Garcia schlug vor live vor dem Rohschnitt der Szene zu
improvisieren. »Softcore« ist Grahams Wiederholung dieses Live – Events:
Zuerst als Performance aufgef�hrt, f�hrt Graham in »Softcore« Garcias
Improvisationen als Musiker wieder auf.
»Phonokinetoscope« bringt Wissenschaft, Film und Musik in einer Art
anachronistischem Videoclip zusammen und thematisiert psychedelische Momente
der Popmusik. Gleichzeitig spannt sie einen Bogen zu anderen Arbeiten des
K�nstlers, die mit der Erscheinung von Bildern und der Beziehung des
Subjektes zum Bild, initiiert durch das Licht der Maschine, operieren. In
der Ausstellung werden diese in der ebenfalls gezeigten Arbeit »Two
Generators«, 1984, zentral. »Phonokinetoscope« besteht aus einer
Schallplatte und einem 16mm Film, der durch den Plattenspieler in Gang
gesetzt wird. Das Bild des hippen Plattenspielers der DJ-Kultur �berlagert
sich mit der Erinnerung an gleich zwei Anekdoten aus der Wissenschaft: Ein
fr�hes Experiment von Edison zum Zusammenspiel von Musik und Ton und die
viel-zitierte Fahrradfahrt von Dr. Albert Hoffmann, dem Erfinder des LSD,
der 1943 nach einem Selbstversuch �ber die Rheinbr�cke fuhr. Der Soundtrack
der Arbeit wurde von Graham komponiert, gespielt und gesung-en und bezieht
sich u. a. auf Syd Barretts Song »Bike«, der mit einem psychedelischen
Soundexzess endet. Graham nimmt vor einer Rekonstruktion des Rousseauschen
Grabes im Berliner Tiergarten LSD und f�hrt vorw�rts und r�ckw�rts radelnd
durch den Park. Eine eingeklemmte Karte, die Herzdame seiner Popsongs, ist
zwischen die Speichen des Fahrrades geklemmt und parallelisiert das Flickern
des Filmmaterials – ein leichter, humorvoller Loop durch die Zeit, mit der
Musik und in der �berwindung des kulturellen Ready-Made des Subjekts.
Weitere Daten zur Ausstellung:
Konzerte: Rodney Graham: 8 Studien komponiert mit dem System von Parsifal
Koordinator: Hans-Peter Frehner / Fl�ten: Hans-Peter Frehner / Oboe:
Matthias Arter / Saxophon: Raphael Camenisch / Tuba: Leo Bachmann / Viola:
Daniel Hess / Cello: Andreas Fuchs
Mittwoch, 13. November und Mittwoch, 20. November 2002, je 17.40 – 18.00 Uhr
Mittwoch, 27. November 2002 und Mittwoch, 04. Dezember 2002, je 13.30 –
13.50 Uhr
Mittwoch, 11. Dezember 2002 und Mittwoch, 18. Dezember 2002, je 17.40 –
18.00 Uhr
Dienstag, 24. Dezember 2002 und Donnerstag, 09. Januar 2003, je 13.30 –
13.50 Uhr
Vortrag: 11. Dezember, 18.15 Uhr, Ulrike Groos, K�nstlerische Leiterin,
Kunsthalle D�sseldorf
�ffentliche F�hrungen mit Medea Hoch, jeweils 18 Uhr, 20.11. / 4.12. /
18.12.
�ffnungszeiten: Dienstag – Freitag 12 – 18 Uhr, Samstag/Sonntag 11 – 17 Uhr
24.12. und 2.1.2003 11 – 17 Uhr. Feiertage geschlossen: 25.12. / 26.12. /
31.12. / 1.1.2003
KUNSTHALLE Z�RICH, 9. NOVEMBER 2002 BIS 12. JANUAR 2003
ER�FFNUNG, FREITAG, 8. NOVEMBER, AB 18 UHR
KONZERT RODNEY GRAHAM, 8. NOVEMBER, 20 UHR
PRESSEVORBESICHTIGUNG, FREITAG, 8. NOVEMBER, 11.30 UHR