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    Date posted: April 28, 2006 Author: jolanta

    21 December 2002 Konsum als B�rgerpflicht…

    Der Spiegel

    by Der Spiegel

    21 December 2002
    Konsum als B�rgerpflicht

    In Krisenzeiten gilt: Blo� nicht sparen, sondern ab ins n�chste Kaufhaus – eine Frankfurter Ausstellung feiert mit viel Ironie das "Shopping".

    Kruger-Plakate in Frankfurt am Main (Computersimulation): Mit viel Geld in die PleiteAuch ein Museumschef muss sich mal einen Spa� erlauben d�rfen: Max Hollein, Leiter der Frankfurter Kunsthalle Schirn, verschickt statt der �blichen Brosch�ren neuerdings lustig bedruckte Plastikt�ten. Zudem l�sst er demn�chst die T�ren seines renommierten Hauses verh�llen und auf Plakaten ank�ndigen, hier ziehe ein Auktionshaus ein.

    Und seine Sponsoren fordert er dazu auf, sich hemmungsloser denn je selbst zu feiern – mit kuriosen Spr�chen wie: "F�r Kaiser’s Tengelmann als anspruchsvoller Qualit�tsanbieter im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ist es eine spannende Herausforderung, aktiv an einem k�nstlerischen Prozess teilzuhaben." Ganz im Ernst er�ffnet Hollein am kommenden Wochenende die Ausstellung "Shopping"*. Darin gehe es um die Verzahnung von Kunst- und Konsumgeschichte im Allgemeinen – und um die "orgiastische Freude" des Einkaufens im Speziellen, schw�rmt der Kunsthallendirektor.

    Weil ein belgischer K�nstler dazu in der Schirn einen Supermarkt unter anderem mit tagesfrischem Obst und Gem�se einrichte, habe er einen Lieferanten gesucht und mit Kaiser’s Tengelmann gefunden.

    Viele Kollegen seien vor allem �ber einen anderen Coup verbl�fft gewesen, so Hollein: Ein Kaufhaus in der Frankfurter Innenstadt habe sich bereit erkl�rt, riesige Transparente an seine Fassade zu h�ngen: Ein geheimnisvolles Augenpaar und ern�chternde Devisen ("Du willst es, du kaufst es, du vergisst es") sollen die flanierende Shopping-Schar verunsichern – das 2200 Quadratmeter gro�e Werk stammt von der bekannterma�en konsumskeptischen US-Kunst-Ikone Barbara Kruger.

    Yanagi-Foto: "Orgiastische Freude" des EinkaufensDabei hei�e in Rezessionszeiten die "erste B�rgerpflicht" Konsum, spottet der Kulturtheoretiker Boris Groys im Frankfurter Katalog – die sinn- und ziellose Verschwendung sei l�ngst eine Frage der Moral. Soll hei�en: Jeder, der eine Kreditkarte z�ckt, vollbringt schon eine gute Tat. Hat nicht auch US-Pr�sident George W. Bush die Bev�lkerung bald nach der Terror- (und anschlie�enden B�rsen-)Katastrophe auf die patriotische Parole eingeschworen: "Geht einkaufen"?

    Es waren die K�nstler, die fr�h und ohne besondere Aufforderung dem Glamour der Einkaufswelt erlagen. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts feierten sie Schaufensterpuppen, als w�ren es griechische Statuen. In den Neunzigern inszenierten sie die schneewei�en Regale der Designerl�den als puristische Weltb�hne. Nur kurz, irgendwann in den sechziger und siebziger Jahren, �bten sie sich auch mal in richtig deutlicher Konsumfeindlichkeit.

    Doch was ist mit den Museen? Sie galten im 19. Jahrhundert mit ihren Vitrinen und ihrer pomp�sen historistischen Architektur zwar als Vorbild f�r die ersten gro�en Kaufh�user, aber mehr wollten sie mit dem Kommerz nie zu tun haben.

    Bis Thomas Krens, Direktor des New Yorker Museumskonzerns Guggenheim, vor ein paar Jahren begann, die Produkte von Sponsoren wie BMW und Armani in gro�en Ausstellungen zu feiern. Hollein, erst seit einem Jahr Chef der Schirn, assistierte zuvor jahrelang bei Krens – und doch h�lt er dessen Management-Rezept f�r wenig nachahmenswert. Denn was nutzen die innigen Kontakte zu spendablen Firmen, wenn die auch sonst zu viel Geld ausgeben und sich damit in die Pleite man�vrieren – wie im Falle des Energieriesen Enron, einem Guggenheim-Geldgeber? Wie abh�ngig d�rfen sich Kulturinstitutionen vom Auf und Ab der B�rsen machen?

    Die meisten Museen verlassen sich derzeit lieber auf kleine, aber eigene Einnahmequellen: Viele H�user sind dabei, die Fl�che f�r ihre Museumsshops zu vervielfachen. Eins sei klar, sagt Hollein: "Mit den immer weiter schrumpfenden �ffentlichen Zusch�ssen kommt kein Museum mehr aus."

    Rem Koolhaas, niederl�ndischer Stararchitekt und Verfasser einer dicken Studie zum Thema Shopping, ging den entgegengesetzten Weg: Bei ihm wirken Luxusshops wie feierliche Museen, etwa die von ihm entworfene New Yorker Filiale f�r den Designer Prada. Doch der 40 Millionen Dollar teure Vorzeigetempel, der im vergangenen Winter eingeweiht wurde, l�uft nicht wie erwartet – auch das wird in der Frankfurter Schau konstatiert. Koolhaas selbst wies darauf hin, dass in einer Epoche des Konsums der wahre Luxus darin bestehe, eben nicht einzukaufen.

    Gesagt, verzichtet. In der Ausstellung wird daher jeder einzelne Cent in Szene gesetzt und darauf spekuliert, dass sich die neuen Shopping-Asketen r�ckbesinnen auf Jahre, in denen Titel wie Yuppie und Fashion Victim als Auszeichnung galten. Die Japanerin Miwa Yanagi lie� noch 1997 auf ihrem Hochglanzfoto "Elevator Girl 1F" p�ppchenhafte Frauenklone vor lauter Konsumbegeisterung auf der Rolltreppe straucheln.

    Barbara Krugers gespenstische Monumental-Plakate in der Frankfurter City aber werden sp�testens Anfang Dezember wieder verschwinden. Den allj�hrlichen Weihnachtskaufrausch will sich kein Sponsor vermiesen lassen.

    ULRIKE KN�FEL

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